#derneuejob

Vertieft rührt Elvira Pohl die dunkle, schwere Rotweinsauce um, die seit Stunden auf dem Herd köchelt. Der Küchentisch ist längst gedeckt, zwei Gedecke gegenüber. Seit ihr Mann gestorben ist, sitzt ihr Sohn Wolfgang auf seinem Platz. Die Lampe über der blank geputzten Resopalplatte leuchtet den Tisch hell und ordentlich aus. Sie mag es nicht, wenn sie beim Essen dieses Schummerlicht auf ihrem Teller hat.

»Wolfi ...? Kommst du essen, Junge?«, ruft Elvira in den Flur und wischt sich ihre Hände an der Schürze ab.

Wolfgang schlurft behäbig in die Küche und drückt seiner Mutter im Vorbeigehen einen Kuss auf die Wange.

»Mhmmm Mutti ... das riecht aber wieder gut.«

»Ach mein lieber Junge ...«, seufzt sie und ihre Wangen erröten leicht. Sie hält inne und betrachtet sein Gesicht, wie sie es schon Abertausende Male getan hat. Sie kennt jede feine Linie, die mittlerweile schon tiefer und ausgeprägter sind. Gut, es ist auch etwas runder geworden in den letzten Jahren, aber ihm schmeckts doch immer so gut. Aber nur bei ihr.

Etwas bestimmter fährt sie fort.

»Ach, Wolfi. Ich glaub, diese Arbeitstelle wäre nichts für dich. Das sind doch sicher 30 km von hier, das ist doch zu weit, um jeden Tag zu fahren ...«

»Meinst du? Mhmm ... Mutti, es schmeckt toll«, genüsslich schiebt sich Wolfgang ein neues Stück Kloß in den noch halb vollen Mund.

»... und die Mieten sind dort so teuer. Hier hast du doch alles und ... willst du mich wirklich alleine lassen? Was willst du denn da?«

Wolfgang hält kurz inne, bevor er das letzte Stück Braten aufpikst. Ja, was wollte er denn auch in der Stadt? Hier brauchte sie ihn. 

Satt steht er auf, geht behäbig zu seiner Mutter und legt seine Hände auf ihre knochigen Schultern. 

»Hast recht, Mutti.« 

Beim Rausgehen greift er nach dem goldenen Ring, den sie auf den Tisch gelegt hat. Langsam streift er sich den Ehering seines Vaters auf seinen Ringfinger. Er passt perfekt.

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