#spieleabend | »schutzlos«
»Hör zu ... schau sie an, wenn sie heute kommen. Halte ihrem Blick stand, du darfst ihnen nicht deine Angst zeigen. Hörst du? Auf keinen Fall! Das ist deine beste Chance. Sonst war´s das für dich.«
»Dann war´s das für mich? Was meinst du damit?«, fragte Ruth mit weit aufgerissenen Augen. Sie war erst seit ein paar Tagen hier. Sie sagten ihr, ihre Arbeitskraft würde gebraucht, als sie in ihr Haus kamen. 5 Minuten gaben sie ihr, das Nötigste zu packen.
»Ich hab sie schon viele Frauen holen sehen. Alte und junge, hübsche und hässliche, dicke und dünne. Das spielt keine Rolle. Es gibt keine Regeln hier– nur Wahnsinn.«
Sie standen in der Ecke, abseits der anderen. Die hölzerne Baracke maß kaum mehr als 5 Schritte in jeder Richtung.
Im flackernden Licht der Petroleumlampen kauerten die anderen Frauen eng beieinander. Als könnten sie ineinanderkriechen, als könnten sie ineinander verschwinden, wenn sie nur nah genug wären. Als könnten sie Schutz beieinander finden. Ein Konglomerat an Leibern, deren Zittern jedoch verriet, dass jede von ihnen im tiefsten Inneren die Wahrheit kannte. Es gab keinen Schutz – schon lange nicht mehr, keine von ihnen konnte irgendwen oder irgendwas beschützen. Ihr Atem kam stoßweise aus ihren Mündern, die kalte, verbrauchte Luft verlieh ihm eine Gestalt. All diese Frauenmünder mit aufgesprungenen Lippen.
Dann hörten sie die johlenden Stimmen. Geifernd und grölend näherten sie sich. Schnellen Schrittes klackten viele Absätze von vielen Stiefeln.
»Was ... was geschieht mit den Frauen, die sie mitnehmen?«, zögernd schaute Ruth die große Frau mit den schwarzen Augen an.
»Na, was glaubst du wohl?«, flüsterte diese bitter. »Die Soldaten nennen es – Spieleabend. Und keine kommt wieder.«