#shortstorytime | »42«
Kratzend bewegte Awi den Stein auf der Wand und hinterließ eine ruckelige, senkrechte Vertiefung im Fels. In der Ferne rauschte die Brandung. Das Feuer war fast niedergebrannt, seine Umgebung wurde mehr und mehr von der Dunkelheit verschluckt, doch er konnte die Kerbe deutlich unter seinen Fingerspitzen fühlen.
»Verdammt! Wo ist sie hin? Wann kommt sie wieder? Kommt sie wieder?«
Er wünschte es sich. Zitternd sank er zurück auf den Boden. Trotz großer Kraftanstrengung war es zum Ritual geworden. Zur Orientierung. Zur Hoffnung. 42 Mal. Er musste vorsichtig sein. Der schnell erstarrte Stein hatte auf seinem Weg schroffe und scharfkantige Formen angenommen. Ihm war, als erwachten sie im flackernden Licht zum Leben und erzählten ihm mit ihren Schatten die Geschichte ihrer Insel. Im schwindenden Licht fiel sein Blick auf den zerbeulten Teller, der eine Armlänge von ihm entfernt auf dem Boden lag. Sein ausgezehrter Körper schmerzte, sein Herz schlug schnell bei der kleinsten Anstrengung. Er roch den pelzigen Überzug der Brotreste, sah die abgenagten Knochen, sah, dass sich dazwischen etwas bewegte. Das Kriechen der Maden machte einen ohrenbetäubenden Lärm in seinem Kopf. Der Hunger hatte seine Sinne geschärft. Awi würgte.
»Mach es«, beschimpfte er sich. »Du musst bei Kräften bleiben«. Seine Worte hallten von den umliegenden Felswänden und forderte ihn unerbittlich auf.
Das Feuer fiel in sich zusammen und sein Funkenflug erhellte für Sekunden die gesamte Wand hinter ihm. 42 Striche. 42 Beweise seiner Anwesenheit. 42 Tage in dieser gottverdammten Hölle.
Langsam atmete er ein und aus, streckte sein Arm so weit aus, wie es die Kette zuließ, und griff in die grüne, lebendige Masse.