#shortstorytime | »bis zum nächsten mal«
»Mensch Carla, jetzt entspann dich mal. Es hätte echt schlimmer kommen können. Hey, wir sind am Meer und die Werkstatt meinte, vielleicht kriegen sie den Bulli morgen wieder fit.«
»Ich mag diesen Ort einfach nicht, ich habe ...«.
Carla verstummt. Ihr Blick wandert von den klirrenden Eiswürfeln in ihrem Weinglas, auf die Wellen, die sich keine 100 Meter von ihr entfernt brechen, um dann wieder ins Meer zu verschwinden. Ein endloses Vor und Zurück. Vor und zurück – ja – das kennt sie. Die immer gleichen Vorwürfe des Vaters. Wie er mit abwertendem Blick ihrer Mutter erklärte, dass sie Schuld an allem sei. Sich doch mal im Spiegel ansehen sollte. Widerlich. Peinlich. Wäre doch klar, dass ein Mann wie er, sich seine Liebe woanders holte. Und sie – sie liebte ihn ja auch nicht. Sonst würde sie ja mehr geben, mehr tun, mehr kämpfen, sich mehr um ihn kümmern. Er hätte immer alles gegeben – sie nichts. Seine alkoholgetränkte Wut, die sich in dem Gesicht der Mutter entlud. Knochen brechen laut. Ihr ersticktes Schluchzen.
Dann die Blumen, die am nächsten Tag auf dem Tisch standen. An seine Reue. Die Mutter, die an ihnen roch. Mit gebeugtem Kopf und verklärtem Blick. Wie sie hoffnungsvoll seinen Versprechungen lauschte. Bis zum nächsten Mal.
Dann musste Carla zur Beerdigung. Der Vater in den Bau.
Sie schreckt hoch, als sie ihren Wein verschüttet.
»Können sie nicht aufpassen?«, raunzt ihre Freundin, den eleganten, grauhaarigen Mann an, der über Carlas Stuhlbein stolpert. Eine Frau lacht unbeschwert in seinem Arm.
»Entschuldigung«, entgegnet er charmant. Carla bekommt Gänsehaut. Ihr Magen krampft sich zusammen. Diese Stimme. Trotzdem dreht sie sich langsam um und blickt in diese vertrauten blauen Augen. Ihr Vater erstarrt. Carla greift in ihre Tasche und fühlt das kühle Metall, das ihr seit Jahren Sicherheit gibt. Plötzlich klar, weiß sie nun endlich, was zu tun ist.