#shortstorytime | »demut«
Das Meer war endlich ruhig. Als wäre nichts gewesen, glitzerte das Sonnenlicht einladend an der Oberfläche und lockte ihn, das Element zu wechseln. Seit Tagen fragte er sich, ob sie den Sturm gut überstehen würde. Er würde es rausfinden. Seine Frau schüttelte verständnislos den Kopf, als er ihr von seinen Erlebnissen erzählte, von all seinen Gedanken in seinem Kopf und seinen Empfindungen. Von seiner Begeisterung, seiner Liebe für dieses zarte Geschöpf. Er fühlte eine Demut gegenüber dem Leben, eine Verbindung zu ihr, wie er es nie für möglich hielt.
10 Minuten später erreichte er die Bucht. Er ließ sein Fahrrad achtlos stehen, zog sich aus und glitt langsam in das warme Wasser. Seine Taucherflossen quietschten, als er sie überzog, schnell wusch er die Brille - unkonzentriert war er. Seine Gedanken kreisten nur um Frage, ob er sie finden würde. Oder sie ihn? Mit gleichmäßigen Atemzügen schnorchelte er zwischen den Felsen, tauchte unter, durchsuchte die Spalten, achtete auf Muster im Sand, auf Steine, die plötzlich ihre Form änderten und lebendig wurden. Nichts.
Er schmeckte die bittere Enttäuschung in seinem Mund, seine fahle Angst. Frustriert entschied er sich umzukehren, als er eine sanfte Berührung an seiner Schulter spürte. Endlich. Er sah ihren Arm, der sich zu seiner Brust vortastete, nahezu innig folgte der zweite, der dritte, bis sich die Octopusdame neugierig und zielstrebig in seiner Armkuhle niederließ.
(Inspiriert von der Doku ‚Mein Lehrer, der Krake‘)